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cher in einer Folge von Jahren eine stets blühende Ges fundheit genossen hat, erkennet ihren Wehrt nur halb; wenn ihn aber ein Zufall trifft,und er von einer Kranks heit wiederum genesen ist: so kann er allererst mit Recht sagen, daß er die Vortheile zu empfinden und zu schäßen wisse, welche die milde Natur mit diesem unschäßbaren Gute verknüpfet hat. Welche reiche Quelle der Vollkommenheiten und des Vergnügens eröffnet nicht diese einzige Unvollkommenheit einem vernünftigen Geschöpfe, ob sie gleich anfänglich seine Glückseligkeit zu hemmen schiene? Er bezeiget nunmehro ein erbarmendes Mitleiden (eine Tugend, wels che ohnedem nicht seyn würde!) mit dem kränklichen Zustande seines Mächsten; und das reine Vergnůgen, welches er aus dieser zum Theil widrigen Leidenschaft genießet, überwieget dennoch bey weiten das Schäßbare, welches eine schläfrige Ruhe nur immer gewähren kann. Wo bleibet, daß ich nur noch einen Vortheil anführe, der daraus entspringet, die Vers herrlichung des großen Gottes? Denn nun erkennet er auch erst, daß er Ursache habe, der Milde desjes nigen, welcher ihm die Gesundheit verliehen, den gebührenden Dank dafür zu entrichten. Je größer die Vorzüge sind, welche ihm dieser gesunde Zustand zu wege bringet, desto inbrünstiger ist auch seine Danks fagung; und desto herzlicher sein Dank-Opfer ist, um so viel größer ist auch die Freudigkeit, welche er dabey empfindet, weil er nämlich darauf veranlasset wird, sich der Wohlthaten und Ergöglichkeiten zu erinnern, welche ihm von je her, vermöge der gefunden Gliedmaßen seiner Sinne, wiederfahren sind.

Es ist wahr, es giebt noch Unvollkommenheiten

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von einer ganz andern Art im menschlichen Leben;
es giebt widrige Empfindungen, von welchen wir
nicht allemahl einsehen können, daß sie zum Anwache
se unserer Vollkommenheiten und zur Vermehrung
unsers Vergnügens etwas beytragen; nichts desto
weniger würden wir doch sehr unrecht urtheilen, wenn
wir daraus die Folge ziehen wollten, daß wir in dieser
Welt gar keiner Glückseligkeit_theilhaftig werden
könnten. Lernet einen Unterscheid machen, sterblie
che Geschöpfe, unter dem, was unglückselig und dem,
was im höchsten Grade glückselig heißt; wåget dann
das Gute und das Böse, welches ihr in eurem Leben
angetroffen habt, gegen einander genau ab; stellet eus
re Umstände mit andern in Vergleichung, die entwe-
der unglücklicher, oder, nach eurer Meynung, glücklis
cher find, ihr werdet finden, woferne ihr nicht jenen
sturmenden Riesen gleichen wollt, daß ihr, mit eurem
Zustande vergnügt zu seyn, Ursache habet. Diejenis
gen allein können wir einigermaßen wahrhaftig uns
glücklich nennen, welche entweder ihre Einbildung
darzu macht, oder welche auch die Mittel zum Genus
se aus Trägheit und Einfalt nicht ergreifen wollen.
Gott, der Urheber des Daseyns aller erschaffenen
Dinge, beut allen seinen Creaturen die Mitttel zur
Glückseligkeit dar, und diejenigen, welche die Vors
rechte der Vernunft aus seiner milden Hand empfans
gen haben, können vor allen andern den Werth dies
ses Lebens kosten, wenn sie nur wollen. Sie dürfen
nur die erschaffenen Werke sehen, und mit Vergnüs
gen fühlen und erkennen, wie freundlich Gott ist, der.
fie gemacht hat, und dieses mit Dank erheben. Lasset
uns nur den Anfang dazu machen, und alle unsere

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Sinnen

Sinnen darzu anwenden, daß wir das Gute erkennen, und dadurch die mit unterlaufende Verdrießlichkeiten unserer Tage versüssen. Hiedurch werden wir allgemach auf die Staffel der Glückseligkeit, wels che die Menschlichkeit in der Einschränkung, worinnen sie hier lebet, zu besteigen fähig ist, höher kommen, und bey den Stürmen dieses Lebens eine sanfte und rus hige Seele zeigen.

Es ist in der That zu bewundern,daß es noch Månner von so blödem Verstande giebet, welche nicht einsehen können, daß die Pflichten, welche uns zum Genusse des Vergnügens reizen, von eben derjenigen Stärke find, als die, welche uns die Natur zur Erhaltung unsers Lebens vorschreibet. Der ganze Unterschied beruhet darinn, daß wir die ersteren aus unserer Natur,aus dem Baue unsers Körpers,und selbst aus gewissen Verhältnissen erkennen, da im Gegentheile die letzteren um deswillen dafür angesehen werden,das mit wir jene zur Ausübung bringen mögen. Es hat das Ansehen, daß der weise und sorgsame Vater der Natur,um uns mit Wohlthaten recht zu überhäufen, entweder vor einen jeden unserer Sinne eine besondere Art von Wollüsten erschaffen, oder daß er uns auch dieselben um deswillen und in solcher Anzahl geschens ket, damit kein einziges Vergnügen seyn mögte, wel ches uns dadurch nicht zu Theil werden könnte. Wenn wir seine göttliche Absicht bey Bildung unses rer Zunge, nur was den Geschmack betrift, erwegen, so dünkt mich, daß wir Ursache zu glauben finden, daß das zarte Gefühl derselben uns verbinde, imEssen und Trinken so viele Ergöglichkeiten zu suchen, als ohne Schaden unserer Natur nur möglich sind. Das Gesicht

Gesicht, welches eben dieser bewundernswürdige Baumeister dem Auge einverleibet hat, zeiget am deutlichsten unter allen, daß es bloß zu unserer Beluftigung gemacht ist. Wie vielfach sind nicht die Werke der Natur, die sich ihm darbieten, und was für eine Menge von Künsten müssen vielleicht nicht noch einst erfunden werden, ehe seine Schärfe, sich darinn zu verlieren, genötiget wird. Ich würde zu weitläuftig werden, wenn ich anführen wollte, daß das Gehör, der Geruch und das Gefühl überhaupt Dazu bestimmet wären, uns mit demjenigen Reize und der Anmuht zu beglücken, welche von denen erst benannten nicht erschöpfet werden können. Werden Spuren der Natur auch nur mit mittelmäßiger Sorgfalt nachgeht, der wird von selbst die Wahrheit der Verbindlichkeit entdecken, welche ihn zu einer Bewunderung und Erkenntlichkeit antreibet. Ex wird sich überzeugen, daß die Ergöhungen eben so eis genthümlich vor die Sinnen, als die Wahrheit vor die Vernunft gehören. Die Sinnen würden uns zu nichts nügen, wenn wir nicht durch sie, als durch Werkzeuge, zum Vergnügen gereizet und geleitet würden; und die Vernunft würde ein unbrauchbas rer Schaß seyn, wenn sie uns zu etwas anders gegeben wäre, als eben zur Einrichtung und Beurtheilung der wahren Vergnüglichkeiten. Warum ges brauchen denn die Menschen nicht Sinne und Vernunft? Sie leben ja leider mitten in der Welt ohne Gefühl, ohne Empfindung, da sie doch nur allein die eigentlichen Pflichten eines vernünftigen Geschöpfes, nämlich dem Schöpfer das gehörige Opfer der Erkenntlichkeit und des Lobes zahlen können. Sie

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könne

könnten Könige und Beherrscher einer schönen Welt seyn, die mit Reichthümern angefüllet ist, so aber sind fie Bettler, welche beym Ueberflusse darben müssen. Blos eine unglückliche Gewohnheit und eine unachts fame Erziehung ist der Grund dieser Fühllosigkeit. Sie sehen die Welt und alle erschaffene Dinge an, als sie es von Jugend auf gewohnt sind, nämlich, als Etwas, welches nun einmahl da und schon lange vor ihnen gewesen ist, und verhoffentlich auch noch lange nach ihnen dauren wird. Mit dieser Nachläßigkeit werden sie groß, alt, grau und sterben. Man würde sich noch in etwas beruhigen können, wenn nur der gefühllose Pöbel, zu deren Handlungen kaum eine vernünftige Seele vonnöhten ist, seine Tage sinnlos, hinbrächte; allein wir sehen, daß der größte Theil derer, welcher gelehrt heissen will, die Dauer seines Hieseuns ebenfalls in einer schläfrigen Unachtsamkeit Hinbringet, und seine Seele unentwickelt davon läßt, ohne zu erfahren, warum er sie gehabt, und warum er sich mit ihr in der Welt aufgehalten hat. Eben diese gelehrte Gleichgültigkeit ist es, wodurch sie die Unweisen verführen, die Weisen betrüben und den Fortgang ihrer Bemühung zum Nußen der Menschheit hemmen. Indessen giebt es doch noch einige redliche Männer, welche sich durch eine starke Vers nunft von diesem gelehrten Haufen durch die Zärtlichkeit ihrer Empfindung und den weisen Mangel der schläfrigen Gleichgültigkeit unterscheiden, und die sich. bemühen, durch schriftliche Hülfs-Mittel ihren achts losen Brüdern wenigstens einen mäßigen Vorraht von Begriffen beyzubringen, der sie von der Armuht ihres Verstandes befreyet.

Man

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