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M. DuMont Schauberg, Straßburg.

Vorbemerkung.

Die folgenden beiden Aufsätze beruhen auf einem Gutachten, zu dessen Abgabe die Verfasser vor einigen Wochen von der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, deren Mitglieder sie sind, aufgefordert wurden. Der Erstunterzeichnete übernahm die Beurteilung der gegenwärtigen Weltsprachbewegung im allgemeinen, während sich der Zweitunterzeichnete insbesondere über das Esperanto aussprach. Das letztere Schriftstück kommt hier fast unverändert zum Abdruck. Den allgemeineren Teil dagegen glaubte sein Verfasser für die Veröffentlichung wesentlich erweitern zu sollen, damit er auch einem der Wissenschaft ferner stehenden Publikum verständlich werde.

Leipzig, 20. April 1907.

K. Brugmann. A. Leskien.

Die neusten Weltsprachprojekte.

Von

K. Brugmann.

1.

Menschen könnt ihr übervorteilen, aber nicht die menschliche Natur, wie Mutter Natur überhaupt in keinem Betracht sich überlisten läßt.

Wenn zwei oder mehr Völker mit stärker verschiedenen Sprachen in lebhafteren Verkehr untereinander gekommen sind, tauchen in ihnen jedesmal Bestrebungen auf, der in der Sprachverschiedenheit bestehenden Verkehrserschwerung durch Ausbreitung einer einheitlichen Sprachform über das gesamte Verkehrsgebiet hin abzuhelfen. Dieses Ziel ist durch alle Jahrhunderte hindurch bis auf unsere Tage nur so erreicht worden, daß es eine auf dem natürlichen Wege gewordene Sprache war, die als regelmäßiges Mittel gegenseitiger Verständigung benutzt wurde, und zwar war das naturgemäß immer eine Sprache, die bei einer der miteinander in Berührung gekommenen Nationen bereits im Gebrauch war.

Man mag da zwei Fälle unterscheiden. Einerseits kann es sein, daß sich die den Verkehr von Volk zu Volk vermittelnde Sprache nur über und neben die andere Sprache oder die andern Sprachen stellt, so daß sie deren bisherigen Gebrauchsbereich nur einengt und in dem Land, in das sie eingezogen ist, ein kleinerer oder größerer Teil der Bevölkerung nunmehr zweisprachig ist. So hat z. B. im Altertum seit Alexander dem Großen die griechische Sprache oder einige Jahrhunderte später die lateinische Schriftsprache oder in neuerer Zeit das Englische in manchen anderssprachigen Ländern Eingang gefunden und in dieser und jener Richtung, als Sprache der Staatsverwaltung, der Wissenschaft, der Kirche, des Handels usw., den Verkehr erleichtert. Der andere Fall ist, daß es zwischen den verschie

denen Sprachen, die aufeinanderstoßen, zu einem Ringen auf Leben und Tod kommt. Endigt ein solcher Kampf zwischen zwei Sprachen wirklich mit völliger Vernichtung der einen von ihnen, so ist das Ziel der Bewegung, die Beseitigung der Verkehrshemmung, aufs beste erreicht. So hat z. B. im Altertum, lange bevor die Schriftsprache der Römer in fremde Lande getragen wurde, ihre gewöhnliche Alltagssprache man nennt sie zum Unterschied von der Schriftsprache das Volks- oder Vulgärlatein

infolge der Ausbreitung der römischen Herrschaft zunächst in Italien, weiter dann auch noch in außeritalischen Ländern zahlreiche andere Sprachen aufgesogen, und in der Neuzeit hat unser Deutsch unter ähnlichen Bedingungen slavischen Mundarten zwischen Elbe und Oder gänzlichen Untergang bereitet. Für diese letztere Art der Aufhebung des Verkehrshindernisses ist die erstere natürlich immer die Vorstufe. Doch führt die Konkurrenz zweier Sprachen, wenn sie in einem Lande nebeneinander gesprochen werden, nicht jedesmal zum völligen Aussterben der einen. Hat z. B. eine eingewanderte Sprache bloß in den oberen Gesellschaftsschichten festen Fuß gefaßt und der Verkehr zwischen diesen und demjenigen Volk, bei dem diese Sprache ihre Heimat hat, lockert sich mit der Zeit, so kann sie sich aus dem Gebiet, in das sie eingedrungen ist, schließlich auch wieder ganz zurückziehen. Freilich tut sie dies nie, ohne mehr oder weniger Spuren bei der Sprache zu hinterlassen, mit der sie in der Fremde eine Zeitlang zusammen gehaust hat.

Sind es nur zwei Völker, die in regerem Verkehr miteinander stehen, so ist das Übel der Verschiedensprachigkeit verhältnismäßig nicht groß. Hier haben sich Erleichterung und völlige Abhilfe auch stets ohne bedeutendere Staatsaktionen eingefunden. Ist es aber eine größere Gemeinschaft von Nationen, so bedeutet jedes Glied mehr in der Gemeinschaft eine Steigerung des Übels. Es ist daher kein Wunder, daß, nachdem jetzt in den europäischen Kulturkreis immer neue Völker mit eigener Sprache eingetreten sind und dabei der Verkehr zwischen allen. diesen Nationen so innig und rege geworden ist, wie nie zuvor ein Verkehr zwischen Kulturstaaten, das Bedürfnis nach Beseitigung der in Rede stehenden Schwierigkeit sich stärker als je geltend macht und mehr als je auf Abhilfe gesonnen wird. Das natürlichste Heilmittel wäre, daß eine der beteiligten Sprachen allmählich immer weitere Kreise um sich zöge, sämt

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